Andreas Baetzgen ist Professor für Strategische Kommunikation und Branding an der Hochschule der Medien in Stuttgart. Er ist Vater von zwei Kindern und kennt sich auf den Spielplätzen des Prenzlauer Bergs gut aus. In einer Studie hat er die Rollenbilder in der Werbung untersucht. Wir sprachen mit ihm über Familienstereotypen in TV-Spots, die Rolle von Vätern und warum er Fashionbrands davon abraten würde, auf Vollzeitväter in der Werbung zu setzen.
spielplatzfreunde.com: Sie haben die Rollenbilder in der Werbung untersucht. Zu welchen Ergebnissen Sie gekommen?
Andreas Baetzgen: „Wir haben mehrere hundert TV-Spots der Jahre 1994 und 2014 per Zufallsverfahren untersucht, um herauszufinden, wie sich die Rollenbilder im Laufe der vergangenen zwanzig Jahre verändert haben. Das Ergebnis ist, dass wir in der Werbung nicht die gesellschaftliche Pluralität gezeigt bekommen, die wir heute haben, sondern klassische, konservative Rollenbilder dominieren. Und das, obwohl sich in dieser Zeit viele Rollenbilder sehr stark ausdifferenziert haben. Nehmen Sie beispielsweise das Rollenbild der Frau. Sie ist heute multioptional gefordert zwischen Beruf, Partner, Kindern und Freunden. In der Werbung jedoch wird dies nicht immer sichtbar.“
Woran liegt das?
„Fernsehwerbung muss eine Story innerhalb von 20 oder 30 Sekunden erzählen. Sie muss deshalb Stereotype bedienen, um von den Konsumenten blitzschnell verstanden zu werden. Man hat in dieser kurzen Zeit vermutlich nicht die Möglichkeit, komplexe Rollenbilder differenziert darzustellen.“
Warum bedienen viele Unternehmen in der Werbung noch immer konservative Familienstereotype?
„Der Grund ist, dass viele Unternehmen in ihren Rollenbildern wertkonservativ sind. Schauen Sie sich die Nahrungs- und Lebensmittelindustrie an. Sie spricht in ihrer Werbung mehrheitlich die haushaltsführende Person an. Und das ist nach wie vor die Mutter. In den Spots wird sie mit ihren mütterlichen Aufgaben gezeigt: Sie ist für die Kinder da, kümmert sich um Haushalt und die gesunde Ernährung ihrer Lieben. Daran hat sich in den letzten 20 Jahren wenig geändert.“
Und welche Rolle nimmt der Vater ein?
„Im Nahrungsmittelbereich spielt der Vater noch immer eine untergeordnete Rolle. Meist sieht man ihn in Freizeit- und Wochenendsituationen. Der Vater spielt mit den Kindern, während die Mutter die Schokolade zum Naschen bringt. Der Süßwarenhersteller Storck ist hierfür ein Beispiel. Das klassische Familienbild mit Opa, Oma, Papa, Mama und Kindern lebt hier ungeachtet gesellschaftlicher Veränderungen fort.“
Der „Man of Today“ des Modekonzerns Hugo Boss ist ein Vollzeitvater und Hausmann. Beginnt sich das Männerbild in der Werbung gerade zu verändern?
„Das Bild vom Mann, der genauso für die Kinder da ist, wie die Frau, ist zweifelsohne zeitgemäß und modern. Zudem ist es sowohl politisch als auch gesellschaftlich gewünscht, dass sich Männer zu Hause mehr engagieren. Insofern kann dieses Männerbild für bestimmte Branchen sogar einen Leitbildcharakter haben. Ob für eine glamouröse Fashionbrand sei mal dahingestellt, denn bei Mode und Parfüm spielt das Thema Familie und Kinder keine Rolle. Deshalb würde ich einer Modemarke auch nicht unbedingt empfehlen, dieses Männerbild zum Thema der Kommunikation zu machen, es sei denn, die Marke ist explizit im Familiensegment positioniert.“
Wann wird dieses progressive Männerbild in der Werbung ankommen?
„Deutschland ist nicht der Prenzlauer Berg – sonst sähe Werbung sicher anders aus. Aber solange Vollzeitväter Exoten sind, werden sie in der Werbung kein Thema sein. Ich glaube, dass sich das Männerbild in der Werbung erst dann ändert, wenn sich unsere Lebenswelt sichtbar verändert hat.“
Bildquelle: Andreas Baetzgen